Den RFP-Prozess überdenken

19.08.2025 15:17:39

Wie findet man den richtigen Softwareanbieter, um die digitale Transformation des eigenen Unternehmens zu unterstützen? Diese Frage taucht immer wieder in Gesprächen mit Supply Chain Verantwortlichen und Führungskräften auf. In diesem Beitrag zeige ich auf, warum klassische Ausschreibungsverfahren (RFP – Request for Proposal) oft keinen echten Mehrwert im Auswahlprozess bringen. Statt potenzielle Anbieter mit umfangreichen Excel-Tabellen zu überfluten, plädiere ich für einen Request for Understanding – also für ein besseres gegenseitiges Verständnis als Basis der Zusammenarbeit.

Von Excel zum Verständnis

Derzeit versäumt es der klassische RFP-Prozess (Request for Proposal) oft, potenzielle Lieferanten auf ein gründliches Verständnis der Geschäftsprozesse des Anfragenden, seines Marktes oder seiner Herausforderungen in diesem Markt zu prüfen. Wichtige Elemente der täglichen Arbeit eines Unternehmens bleiben dabei auf der Strecke, wie beispielsweise Personalproblematiken, wirtschaftliche Makroindikatoren oder sogar eine grundlegende Abbildung der Supply Chain des Unternehmens. Meistens muss der Lieferant einfach so viele Kästchen wie möglich in einer recht umfangreichen technischen Excel-Datei ankreuzen, die fast so tief geht wie IT-Programmierungen.

Meiner Meinung nach ähnelt dieser Prozess der Auswahl eines neuen Autos, ohne zu wissen, auf welchen Strassen es fahren muss, bei welchem Wetter und mit welcher Art von Fahrer am Steuer. Am Ende versuchen Sie vielleicht, mit einem NASCAR Auto, das nur nach links abbiegen kann, eine Wüste zu durchqueren. Deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass ein RFP-Prozess immer mit einem RFU, einem Request for Understanding, beginnen sollte.

Mit dem „Request for Understanding“ Zeit, Aufwand und Kosten sparen

In der Regel ist ein RFP-Prozess mit einem hohen Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden. Nicht nur für den Anfragenden, sondern auch für die potenziellen Lieferanten. Nehmen wir an, ein Unternehmen sucht nach einem neuen Supply Chain Management Tool. Es organisiert einen langwierigen Prozess, in dessen Rahmen 10 potenzielle Lieferanten ihre Lösungen in einem eintägigen Workshop vorstellen. Wenn man davon ausgeht, dass etwa 30 Personen/Ressourcen an jedem Workshop teilnehmen, hat man 300 Arbeitstage für ein einziges Tool aufgewendet! Und wenn man die anschliessenden Gespräche mit den in die engere Wahl gekommenen Parteien hinzurechnet, schiessen die Gesamtkosten für die Ausschreibung in die Höhe.

Natürlich trägt nicht allein das ausschreibende Unternehmen diese Investitionen. Auch die Anbieter stecken viel Zeit und Mühe in ihre Angebote. Doch meiner Erfahrung nach werden diese Kosten später häufig in den endgültigen Vertragspreis einkalkuliert. Am Ende landen sie also doch wieder beim Auftraggeber – ähnlich wie ein Tourist in der Hochsaison mehr fürs Hotelzimmer zahlt, um die Leerstände und Verluste der Nebensaison auszugleichen.

Meiner Meinung nach lassen sich viel Zeit, Aufwand und Kosten sparen, wenn man den Ausschreibungsprozess damit beginnt, einen Blick darauf zu werfen, welche Lösungen die Mitbewerber im Markt oder andere Glieder der eigenen Supply Chain bereits nutzen. Vielleicht lohnt es sich sogar, einen Berater hinzuzuziehen, der mit ähnlichen Herausforderungen aus anderen Branchen vertraut ist. Es ist erstaunlich, wie viele Parallelen es zwischen DIY und der Lebensmittelindustrie gibt, etwa wenn man die Haltbarkeit von Gipskartonplatten mit der von Süsswaren vergleicht.

Wähle kein Tool – sondern einen Partner

Bei Solventure empfehlen wir unseren Kunden, zunächst einen vertrauenswürdigen Partner für ihr neues Tool oder ihre Geschäftstransformation zu finden. Und dieses Vertrauen entsteht nicht durch eine sorgfältig ausgefüllte Excel-Tabelle. Es entsteht durch praktische Erfahrungen und echte Gespräche mit den Kunden des potenziellen Anbieters. Was sind ihre Bedürfnisse, Wünsche oder Herausforderungen, wenn sie mit dem Anbieter zusammenarbeiten? Es klingt logisch: Sie wählen beispielsweise kein Hotel anhand einer umfangreichen Excel-Tabelle aus, das würde viel zu lange dauern. Stattdessen fragen Sie nach oder lesen persönliche Bewertungen von Menschen, die tatsächlich dort übernachtet haben, um sich eine Meinung zu bilden. 

Nur wenn Sie die Situation „vor Ort“ wirklich kennenlernen, können Sie ein echtes Verständnis für das Unternehmen entwickeln, das Sie mit Ihrer Lösung beliefern möchten. Aber ich verstehe, dass Unternehmen, die Ausschreibungen verfassen, Angst haben, Fehler zu machen. Deshalb verstecken sich die meisten hinter diesen riesigen Excel-Tabellen und hoffen, dass sie sie vor solchen Fehlern schützen. Ihnen möchte ich sagen: Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl. Sie sind der beste Experte für Ihr eigenes Unternehmen und nur Sie können den besten Partner für Ihr nächstes Projekt auswählen. 

Letztendlich wurde der gesamte RFP-Prozess vor etwa 15 Jahren erfunden, und wir haben einfach immer wieder dasselbe getan, wie eine lange Reihe von Lemmingen, die auf eine Klippe zusteuern. Ich denke, Martijn Lofvers, Chief Trendwatcher Supply Chain Media, hat es am besten ausgedrückt: 

“To ensure your new software selection is a success, you should approach a small number of vendors – possibly with the help of an independent consultant – with a clearly specified challenge and ask about their functionality, technology, domain expertise, and for references in your own industry. […] If you think you can skip all these steps and simply send a questionnaire about functionality, your RFP will become a ‘Request For Problems’."

„Um sicherzustellen, dass Ihre neue Softwareauswahl ein Erfolg wird, sollten Sie sich – möglicherweise mit Hilfe eines unabhängigen Beraters – an eine kleine Anzahl von Anbietern wenden, ihnen eine klar definierte Herausforderung vorlegen und sie nach ihrer Funktionalität, Technologie, Fachkompetenz und Referenzen in Ihrer eigenen Branche fragen. […] Wenn Sie glauben, all diese Schritte überspringen zu können und einfach einen Fragebogen zur Funktionalität verschicken, wird Ihre Ausschreibung zu einer „Ausschreibung für Probleme” (RFP = Request For Problems).

Entdecken Sie unsere starken Partnerschaften



Wir glauben nicht daran, Prozesse an Tools anzupassen. Ganz im Gegenteil. Wir implementieren benutzerfreundliche und modulare Software, die perfekt zu Ihnen passt und mit Ihrem Unternehmen mitwächst. Unser Ansatz ist iterativ und agil, maximiert die Benutzerakzeptanz und erleichtert das Feedback, das es uns ermöglicht, das Basismodell schrittweise zu verfeinern. Nach der Inbetriebnahme können Sie sich auf einen intensiven Nachbetreuungsservice verlassen. Wir sind Implementierungspartner von Arkieva, OMP und Kinaxis.

ENTDECKEN SIE UNSERE PARTNERSCHAFTEN