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S&OP 2.0 – So stärken Sie Ihre Supply Chain

Geschrieben von Bram Desmet | 19.08.2025 12:33:22

Unsere Supply Chains werden immer komplexer. Es geht nicht mehr nur darum, Service, Kosten und Liquidität in ein Verhältnis zu bringen. Wir müssen zunehmend auch Umweltziele wie die Reduzierung von CO2-Emissionen und soziale Ziele wie eine verantwortungsbewusstere Beschaffung erfüllen.

In diesem Blogbeitrag möchte ich erläutern, wie sich S&OP in den letzten Jahren entwickelt hat und wie eine neue Vision von S&OP – S&OP 2.0 oder integrierte Wertplanung – meiner Meinung nach dazu beitragen kann, einige der Herausforderungen zu lösen, die ich in den letzten 15 Jahren mit S&OP erlebt habe und die auch heute noch bestehen. 

Ein Gleichgewicht zwischen Service, Kosten und Liquidität reicht nicht mehr aus

Warum also braucht es eine neue Vision für S&OP? Wenn ich mit Supply Chain Expert:innen über ihre grössten Herausforderungen spreche, lassen sich die Antworten meist auf drei zentrale Probleme zurückführen:

  • Mangelnde Akzeptanz und Einbindung anderer Bereiche, sei es Vertrieb, Portfoliomanagement, Finanzen oder die fehlende Unterstützung durch die P&L-Verantwortlichen;
  • Unwirksamkeit von S&OP verursacht durch ungenaue (oder voreingenommene) Prognosen und Daten, eine zu kurzfristige Planung (1 Monat) statt einer langfristigen Ausrichtung (3–18 Monate) sowie das Fehlen von Daten zur Nachhaltigkeit in der Entscheidungsfindung;
  • Unzureichende S&OP-Tools, bedingt durch fehlende oder schlecht integrierte Planungstools, mangelnde Akzeptanz dieser Tools sowie Schwierigkeiten im Umgang mit Szenarioplanung.

Ein Blick auf Erkenntnisse von Lora Cecere –  Gründerin der Forschungsfirma Supply Chain Insights, sie verglich die Effektivität von S&OP im Jahr 2019 mit der von 2016 und stellte fest, dass die Anzahl der Teilnehmer, die ihren S&OP-Prozess als effektiv bewerten, in nur drei Jahren um 30 % zurückgegangen ist. 

Anstatt also Fortschritte zu machen, scheinen wir Rückschritte zu machen. Man könnte argumentieren, dass die Daten aus dem Jahr 2019 durch die bevorstehende Covid-Pandemie beeinflusst sein könnten, die zu einem geringeren Vertrauen in S&OP geführt hat. Man könnte aber auch das Gegenteil behaupten und sagen, dass unser S&OP-Prozess offenbar nicht in der Lage war,  mit der Volatilität und Unsicherheit während und seit Covid angemessen umzugehen.

Ich habe bereits zuvor erwähnt, dass die Marktvolatilität bestehen bleiben wird, sodass wir möglicherweise ein Problem damit haben, dass unser S&OP einfach nicht stark genug ist, um mit der Volatilität in unseren aktuellen Supply Chains umzugehen. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse der Umfrage von Lora Cecere, dass in fünf Jahren (von 2015 bis 2020) dieselben S&OP-Herausforderungen bestehen bleiben, was bedeutet, dass wir auch hier keine wirklichen Fortschritte erzielen.

Auf der Suche nach Antworten

Wenn ich mir all das vor Augen führe, scheint es mir, dass wir mit S&OP nach wie vor genauso zu kämpfen haben wie in den letzten 10 bis 15 Jahren. Wie können wir also S&OP neu ausrichten, um die Herausforderungen der Supply Chain in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu bewältigen?

Das ist die zentrale Frage, mit der ich mich seit meinem ersten Buch im Jahr 2018 beschäftige. Damals lag mein Fokus auf dem Lieferkettendreieck, also dem Verhältnis zwischen Service, Kosten und Liquidität zur Verbesserung von S&OP. Dieses technische Thema war ein guter Ausgangspunkt, aber es brauchte einen strategischen Rahmen, um S&OP mit einer übergeordneten Geschäftsstrategie zu verknüpfen: „Wie wollen Sie in Ihrem Markt erfolgreich sein?“. So entstand die strategiegetriebene Supply Chain, die das Hauptthema meines zweiten Buches aus dem Jahr 2021 war.

Nun, da allen klar wird, wie wichtig S&OP ist, fällt es uns immer noch schwer, in diesen Bereich zu investieren und ihn ernst zu nehmen. In meinem neuesten Buch „Rethinking Supply Chainversuche ich, alle dazu zu bewegen, in die Gesundheit ihres S&OP zu investieren, indem ich ihn mit anderen Planungsprozessen verknüpfe, die Akzeptanz und Datenqualität verbessere und ihn schliesslich mit Prozessen wie der Finanz- oder Vertriebsplanung zusammenführe.

Supply Chain neu denken

Wenn wir S&OP verbessern wollen, müssen wir im Grunde genommen das Unternehmen neu organisieren. Derzeit arbeiten Unternehmen oft in funktionalen Silos, in denen der Vertrieb von Verkaufsdaten, der Betrieb von Effizienz und die Finanzen von der Liquidität bestimmt werden. Dies führt zu Spannungen im Lieferkettendreieck und macht S&OP ziemlich kompliziert, da es sich um einen funktionsübergreifenden Prozess handelt, der Input aus all diesen Abteilungen benötigt, um die Lücken zwischen ihnen zu schliessen.

„Wie können wir also diese Lücken in einer Organisation schliessen und die Grenzen zwischen den Silos überwinden, um die Effizienz unseres S&OP zu verbessern?“

Da alle Silos so eng miteinander verbunden sind, ist die Notwendigkeit ihrer Integration im Laufe der Jahre immer deutlicher geworden – insbesondere während und nach der Pandemie. Die zunehmende Volatilität des globalen Marktes hat beispielsweise die Prognose der Kundennachfrage erheblich erschwert. Deshalb schlage ich vor, nicht mehr zu raten, was Ihre grössten A-Kunden tun werden, sondern einen kollaborativen Prognoseprozess zu starten, bei dem Sie Einblick in deren Lagerbestände, den historischen Verbrauch und den Verkaufsplan haben.

Auf der Lieferantenseite der Supply Chain sollten Sie genauso vorgehen. Anstatt Bestellungen 12 Monate im Voraus aufzugeben (um sicherzustellen, dass Sie Ihren Anteil bekommen), reservieren Sie bestimmte Kapazitäten bei wichtigen Lieferanten und verpflichten Sie sich zum langfristigen Abnahme bestimmter Rohstoffe. So können Sie die Entscheidung, welches konkrete Produkt (SKU) letztlich produziert werden soll, so spät wie möglich treffen – und bleiben dennoch in der Lage, mit der steigenden Marktvolatilität umzugehen.

Der Handlungsspielraum schrumpft

Neben den komplexen Verflechtungen zwischen internen Silos und externen Partnern der Lieferkette müssen Unternehmen heute auch ökologische und soziale Standards in ihr S&OP-Ökosystem integrieren.

Im Hinblick auf Nachhaltigkeit reicht es nicht mehr aus, nur die eigenen Emissionen zu überwachen – auch die Emissionen der Lieferanten und Kunden müssen nachvollziehbar gemacht werden.
Und aus sozialer Sicht wollen wir unsere Lieferketten ebenfalls in den richtigen Kontext setzen – und sicherstellen, dass unsere Lieferanten sozial verantwortlich handeln. Gerade in Branchen wie der Modeindustrie oder im Einzelhandel stellt das eine grosse Herausforderung dar.


Da die ökologische Obergrenze sinkt und die soziale Grundlage steigt, wird der Handlungsspielraum für unser S&OP-Ökosystem immer kleiner. Gleichzeitig müssen wir uns nach wie vor mit der Konkurrenz auseinandersetzen, die um dieselben Kunden und Lieferanten kämpft, versucht, Finanzmittel aus denselben Märkten anzuziehen, und auf demselben Arbeitsmarkt konkurriert. Selbst wenn wir also unsere S&OP-Prozesse intern sowie mit unseren wichtigsten Kunden und Lieferanten integrieren können: Wie werden wir dieses von mehreren Seiten unter Druck stehende Ökosystem kontrollieren?

Die Notwendigkeit zur Integration und Abstimmung 

Die Antwort liegt in der Anzahl der Planungsprozesse, die wir in unserem S&OP eingerichtet haben. Im Folgenden sehen Sie einige der gängigen Planungsprozesse, die ich regelmässig in Unternehmen vorfinde, und das sind bereits ziemlich viele.

Wenn ich meine Kunden dann frage, wie viele Softwaretools oder Planungssysteme sie zur Steuerung dieser Prozesse einsetzen, ist das Bild ebenso breit gefächert. Wenn Sie Glück haben, gibt es nur eine Variante dieser Systeme, aber schnell kann sich eine ganze Landschaft unterschiedlicher Softwaretools ergeben.

Damit komme ich zu meinem nächsten Punkt: Ich habe den Eindruck, dass nie wirklich darüber nachgedacht wurde, wie diese verschiedenen Systeme integriert werden müssen, und das ist ein Problem, denn unzusammenhängende Planungstools und -prozesse führen zum Gegenteil von Agilität, nämlich zu doppelten Informationen, unterschiedlichen Annahmen und Verzögerungen beim Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Systemen. Vielleicht war diese Arbeitsweise vor 20 Jahren, als die Märkte relativ stabil waren, als Lösung ausreichend. Heute ist die Welt jedoch leider volatiler geworden und stellt höhere Anforderungen an die Nachhaltigkeit, sodass das, was wir in der Vergangenheit getan haben, einfach nicht mehr ausreicht.

Eine neue Vision für integrierte Planung und S&OP

Wie lassen sich einige dieser Probleme konkret lösen und welche Rolle spielt dabei meine neue Vision einer integrierten Planung?

Der Ausgangspunkt ist eine echte und nahtlose Integration von Finanzplanung und Supply Chain Planning, wie ich in meinem zweiten Buch erwähne. Bis zu 80 % dieser Planungsprozesse überschneiden sich bereits, und auch wenn es den Finanz- und Supply Chain Abteilungen vielleicht nicht gefällt, ist dies angesichts der aktuellen Volatilität auf der Nachfrage- und Angebotsseite der Supply Chain ein notwendiger Schritt. Es ist im Grunde unverantwortlich, keine ordentlichen Finanzinformationen in der Supply Chain Planung oder keine ordentlichen Supply Chain Informationen in der Finanzplanung zu haben.

Zudem beobachte ich, dass sich beide Bereiche ohnehin immer mehr annähern: Die Supply Chain Planung wird finanzorientierter und die Finanzplanung wird detaillierter, da wir besser verstehen wollen, woher die Abweichungen in unserer Lieferkette kommen. Und ich glaube auch, dass die derzeitigen Tools leistungsfähig genug sind, um beide Prozesse zu kombinieren.

Der einzige Grund, warum diese Integration bislang nicht stattfindet ist, dass die Finanzabteilung der Lieferkette nicht vertraut und die Lieferkette die Finanzabteilung nicht versteht. Vor 20 Jahren mag das ein guter Grund gewesen sein, aber heute ist es eine wesentliche Hürde, die wir überwinden müssen.

Sobald diese beiden Bereiche integriert sind, müssen wir weiterdenken:
Wie lassen sich Marketingplanung, Vertriebsplanung, Produktplanung und Ressourcenplanung sinnvoll verknüpfen?Der Schlüssel liegt darin, langfristige Plandaten zu teilen und alle auf dieselbe Linie zu bringen.

Anschliessend müssen wir uns mit wichtigen Kunden und Lieferanten vernetzen, um einen kollaborativen Prognoseprozess zu schaffen. Und wenn wir diese Vernetzung erreicht haben, müssen wir darüber nachdenken, wie wir Nachhaltigkeit und soziale Kennzahlen in unsere zentralen Entscheidungsprozesse der Planung einbeziehen können.

Diese S&OP-Vision nenne ich: „Integrierte Wertplanung“: